Gesundheitliche Folgen der Gewalt
Wenn man es in einem Satz zusammenfassen wollte, würde dieser lauten: Gewalt macht krank!
Auf der einen Seite können sich Gewaltfolgen sichtbar abzeichnen in Form von beispielsweise Hämatomen, offenen Wunden, gebrochenen Knochen oder inneren Verletzungen. Insbesondere im Kopf- und Halsbereich wird Gewalt so auch für Dritte sichtbar. Bei schweren und wiederholten Verletzungen können lebenslange geistige wie körperliche Beeinträchtigungen, z.B. Hör- und Sehschäden oder Gehbehinderungen, die Folge sein.
Im schlimmsten Fall endet die Gewalt tödlich: Fast ein Fünftel der z.B. von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen berichtet, dass sie von gewalttätigen Ex-Partnern mit dem Tode bedroht wurden. Auch suizidales Verhalten steht zum Teil in einem Zusammenhang mit Gewalterfahrungen. So ergaben Studien, dass 77% der Gewaltbetroffenen Suizidgedanken hatten und 29% der Frauen, die einen Suizidversuch unternommen hatten, Gewalt erfahren hatten.
Sexuelle Gewalt kann unter anderem einhergehen mit der Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten, der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs oder auch mit Schwangerschaftskomplikationen.
Jede Schwangerschaft, die in einem Kontext von Gewalt ausgetragen wird, kann grundsätzlich als Risikoschwangerschaft eingeordnet werden. Früh- und Fehlgeburten, sowie ein geringes Geburtsgewicht sind belegt. Das Risiko für eine Fehlgeburt ist bis zu 2,7fach erhöht, das Risiko für eine Todgeburt 3,7fach.
Häufige liegen auch psychische und psychosomatische Gesundheitsfolgen bei den Betroffenen vor: Ob Kopf- oder Blasenschmerzen, Probleme des Magen-Darm-Trakts, Hautprobleme oder eine Schwächung des Immunsystems und eine Vielzahl von Entzündungserkrankungen auf der einen, und posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD) und Depressionen auf der anderen. Auch Angstzustände, Schlaflosigkeit und soziale Dysfunktionen sind überdurchschnittlich beobachtbare Folgen.
In der deutschen Repräsentativstudie gaben etwa zwei Drittel (64%) der Frauen, die Gewalt durch den (Ex-)Partner erfahren hatten, an, körperlich durch diese Gewalt verletzt worden zu sein, vier von fünf Betroffenen (80%) nannten psychische Beschwerden. Eine Studie unter Frauenhausbewohnerinnen ermittelte eine PTSD-Betroffenheit von fast 78%.
Gesundheitsgefährdende Bewältigungsstrategien können zum Beispiel Substanzgebrauch (Alkohol, Medikamente, Drogen) als „Selbstmedikation“ um zu verdrängen, sowie selbstverletzendes Verhalten sein. Die gängige Verschreibungspraxis psychotroper Medikamente kann hier zu dem problematischen Effekt führen, dass Frauen „Schlucken und Schweigen“ und in der Lage versetzt werden ihre Situation weiter zu ertragen, statt aktiv und mit Unterstützung von außen nach Wegen aus der Gewaltbeziehung zu suchen.
Die gesundheitlichen Auswirkungen reichen in aller Regel weit über die Gewaltbeziehung oder die Gewaltsituation selbst hinaus.
Grundsätzlich gilt: Je schneller die Gewalt beendet werden kann und je mehr äußere Schutzfaktoren vorhanden sind, umso besser können die gesundheitlichen Folgen abgemildert werden. Fast jede medizinische Disziplin wird mit Gewaltbetroffenen konfrontiert, auch wenn Bereichen wie der Chirurgie, der Allgemeinmedizin oder der Gynäkologie hier eine besondere Bedeutung zukommt. Ein frühzeitiges Erkennen gewaltbedingter Gesundheitsfolgen und die Identifizierung von Gewaltbetroffenen können einer zeitnahen Therapie dienen und ist als sekundäre Prävention einzuordnen.
Literatur:
Petra Brzank: Gesundheitliche Folgen von (häuslicher) Gewalt gegen Frauen, KJPP, Universitätsklinikum Ulm, 2020
Rona Torenz: Gewalt macht krank – Gesundheitliche Folgen häuslicher und sexualisierter Gewalt, KJPP, Universitätsklinikum Ulm, 2020