Mitbetroffene Kinder

Nahezu alle Kinder und Jugendlichen, mit denen im Rahmen von Forschung über miterlebte häusliche Gewalt gesprochen wurde, beschreiben diese Erfahrungen als belastend und ängstigend. In einer Studie aus dem Jahr 2017 durchgeführt in sieben Frauenhäusern beispielsweise, zeigten 64 % der Kinder Verhaltensprobleme im klinischen Umfang und weitere 23 % Probleme im Grenzbereich zur klinischen Auffälligkeit. In einer anderen Studie fand sich bei 20 – 25 % der mitbetroffenen Kinder eine posttraumatische Belastungsstörung.

Mitbetroffene Kinder entwickeln weniger Ideen, wie Konflikte ohne Zwang und Gewalt gelöst werden können und haben seltener positive Beziehungen zu Gleichaltrigen und tiefe Freundschaften. Der Gewalthintergrund fördert die Übernahme von starren Geschlechterrollenstereotypen.

Bei Mädchen zeigen sich Auffälligkeiten oft später und sind eher nach innen gerichtet, z.B. durch Ängste oder Depressionen. Aggressive Verhaltensmuster werden eher von Jungs gezeigt. Aber auch bei Jungs überwiegen insgesamt die nach innen gerichteten Auffälligkeiten.

Erste Beziehungen im Jugendlichen-Alter zeigen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Gewaltmustern (so genannte Teen Dating Violence), wobei schon in der frühen Kindheit miterlebte Gewalt eine Rolle spielen kann.
Einem Forschungsbericht zufolge haben 40% der mitbetroffenen Kinder außerdem auch selbst Misshandlungen erfahren und auch etwas häufiger sexuellen Missbrauch erfahren müssen, weshalb häusliche Gewalt als Warnhinweis für spätere oder bereits erfolgte körperliche Gewalt gegen Kinder einzuordnen ist.

Die Mitbetroffenheit von Gewalt hat auch medizinische Folgen: Das Risiko für Adipositas, Herzkrankheiten, Krebserkrankungen, Schlaganfälle und verschiedene Lungenerkrankungen ist deutlich erhöht. Ebenso wie die Risiken für Alkohol- und Drogenkonsum, Depressionen und Suizid-Versuche. Die Lebenserwartung kann so bis zu 20 Jahre verkürzt sein.

Quellen:
Heinz Kindler: Kinder und Jugendliche im Kontext häuslicher Gewalt – Risiken und Folgen, KJPP, Universitätsklinikum Ulm, 2020
Dr. Vera Clemens: Neurobiologische Folgen kindlichen Miterlebens häuslicher Gewalt, KJPP, Universitätsklinikum Ulm, 2020

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